Das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz sollte eigentlich Burkas verbieten. Da ein solches Verbot aber gegen unsere Verfassung verstoßen würde, musste das Verbot umschrieben werden. Das Resultat: eine vage, so religionsneutral wie möglich formulierte Regelung, die sich immer wieder gegen Personen richtet, die es eigentlich gar nicht erfassen wollte.

Seit 1.Oktober ist das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz in Kraft. Es verbietet die Vollverschleierung von Personen im öffentlichen Raum. Da die Religionsfreiheit in Österreich in der Verfassung steht, konnte der Gesetzgeber nicht so leicht ein Burka-Verbot erlassen. Kurz gesagt: Das Verschleierungsverbot musste so formuliert werden, dass es nicht nur die Burka trifft, sondern allgemein angewendet werden kann. Eine Kritik an dieser Formulierung haben wir bereits in dem Beitrag Verschleierte Formulierungen im Anti-Gesichtsverhüllungs-Gesetz formuliert.

Das Gesetz begleitet uns jetzt knapp einen Monat – auch über die Medien und die absurden Ereignisse und Diskussionen, die es provoziert:

Dürfen wir uns dieses Jahr zu Halloween verkleiden?

Der Sprecher der Landespolizeidirektion Niederösterreich, vertrat gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) die Ansicht, Halloween sei kein österreichisches Brauchtum. Sprich, auch zu Halloween sollte das Verhüllungsverbot Anwendung finden. Kurz darauf revidierte das Bundesministerium für Inneres jedoch: Halloween ist doch österreichischer Brauch. Das Verhüllungsverbot ist zu Halloween also nicht anzuwenden. Glück gehabt.

Auch die Pferdemasken tragenden Musikanten wurden ermahnt.

Ob man sie liebt oder nicht. Die Pferdemasken tragenden Musikanten stellen seit Jahren einen Teil des Wiener Stadtbildes dar. Dennoch forderten am 5. Oktober zwei Polizisten die Musiker dazu auf, ihre Masken abzunehmen und sich auszuweisen. Sie wurden belehrt und ermahnt. Wie die Belehrung konkret ausgesehen hat, bzw. ob die Musiker in weiterer Folge mit oder ohne Maske gespielt haben, ist umstritten. Angeblich ging es lediglich darum, dass das Tragen der Pferdemasken vor und nach der künstlerischen Darbietungen – also auch in den Pausen – verboten sei.

Ein Schal gegen Kälte?

Prinzipiell ja. Aber nur, wenn das Temperaturempfinden der handelnden Polizisten gleich wie das eigene ist. Es ereignet sich die folgende Szene: Wiener Innenstadt. Eine Frau am Rad. Der Schal vor dem Gesicht. Der Standard berichtet wie folgt: „Da habe sie ein Polizist aufgehalten mit den Worten: ‚Nehmen Sie den Schal runter.‘ – ‚Wieso? Es ist kalt.‘ – ‚Es ist nicht kalt, nehmen Sie ihn runter.‘ Die Amtshandlung habe mit einer Abmahnung geendet.“

Hai angezeigt.

Bereits am 6. Oktober ging es mit der Absurdität weiter. Nun richtete sie sich gegen einen Promo-Mitarbeiter in Hai Kostüm. Er war Teil einer Werbeaktion vor einem neu eröffneten McShark Geschäft im Zentrum von Wien. Verkleidete Werbeaktionen sind zwar gang und gäbe – nun aber anscheinend auch verboten. Der Mann bekam eine Anzeige.

Auch ein Hase musste sich ausweisen.

Am 9. Oktober wurde auch das Maskottchen des Parlaments – der Hase Lesco – von der Polizei überprüft. Das Maskottchen war gerade zusammen mit einer Gruppe von Kindern für einen Filmdreh vor dem Parlament unterwegs. Hier wurde er von einer Polizeistreife ertappt: Der Dreh wurde unterbrochen. Das Maskottchen musste seine Maske abnehmen. Strafe gab es keine.

Angezeigt wegen Schal-Tragens.

Als Nora Foerst am 11. Oktober auf dem Weg zur Straßenbahn auf ihr Handy blickte, waren Teile ihres Gesichts für einige Momente verdeckt. Alltagssituation? Nun aber auch verboten. Die Psychologin wurde von der Polizei aufgehalten und aufgefordert, sich auszuweisen. Dann wurde auf das Verschleierungsverbot zurückgegriffen: Nora wurde angezeigt.

Herr Legomann, bitte weisen Sie sich aus.

Am 20. Oktober ging es weiter: Ein als Legomann verkleideter Wiener musste sich ausweisen. Auch er war Teil einer Werbeaktion in einem Kaufhaus. Strafe gab es keine.

Wie der Standard berichtet, kam es in Wien bis zum 20. Oktober zu 30 Anzeigen aufgrund des Verschleierungsverbots. Vier davon waren gegen muslimische Verschleierungen gerichtet. Bei den restlichen handelte es sich um bewusste oder unbewusste falsche Auslegung des Gesetzes durch Polizisten.

Das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz sollte das Tragen von Burkas verbieten. Es erscheint dem Gesetzgeber aus Sicherheitsgründen wichtig, dass das Gesicht jedes Menschen im öffentlichen Raum zu sehen sei. Ob man hiermit einverstanden ist oder nicht, das Gesetz macht diese Grundidee nicht besser. Denn es schafft Spielraum für willkürliche Amtshandlungen. So wollte das wohl niemand.

Ein Rechtsfond für die Gerichtskosten von Betroffenen des Anti-Gesichtsverhüllungsgesetzt ist bereits auf Respekt.net gestartet. Falls sich neben Nora Foerst noch andere Betroffene mit rechtlichen Mitteln wehren möchten, können diese sich gerne bei uns melden.

 

Text: Daniela Amann.