Andreas Hanger ist seit Oktober 2013 Abgeordneter zum österreichischen Nationalrat. Daneben fungiert er als Mitglied des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Ybbsitz, als Gemeindeparteiobmann der ÖVP in Ybbsitz (NÖ) und als Bezirksparteiobmann der ÖVP im Bezirk Amstetten. Zusätzlich ist er Obmann der Leaderregion „Eisenstraße Niederösterreich“ und Bezirksstellenleiter des Roten Kreuzes Waidhofen/Ybbs.  „StarkeAbgeordnete.at“ hat sich mit Andreas Hanger zu einem Gespräch über den Zustand und die Möglichkeiten des österreichischen Parlamentarismus getroffen.

Andreas Hanger gehört schon zu den erfahreneren Abgeordneten im österreichischen Nationalrat, der die formellen und informellen Spielregeln kennt, der gewisse Abläufe zu schätzen weiß, aber auch mit einem teilweise ernüchterten, teilweise aber auch schlicht pragmatischen oder realistischen Blick auf den derzeitigen Zustand des parlamentarischen Prozesses blickt. Kommt eine Regierungsvorlage in den Nationalrat, wird sie zuerst im zuständigen Ausschuss diskutiert. Meist seien schon zu diesem Zeitpunkt die Positionen klar bezogen, die Debatte reduziere sich zumeist auf einen Austausch altbekannter Standpunkte. In der anschließenden Plenardebatte sei das nicht anders. Die Diskussionskultur des Nationalrates sei jedenfalls verbesserungsbedürftig. Zwar würde Hanger die Gleichsetzung des Parlaments mit einer Theaterbühne nicht vollumfänglich unterschreiben, bis zu einem gewissen Prozentsatz sei dieser Vergleich aber stimmig: „Das hängt vielleicht ein wenig mit der österreichischen Mentalität, zum ‚Schmäh‘ zu neigen, zusammen. Der beste Sager bekommt die größte Aufmerksamkeit. Und das halte ich eigentlich für schlecht.“ Der sachliche Austausch guter Argumente sollte in den Vordergrund treten. Als mögliche Lösung und als Ziel wünscht sich Hanger einen stärkeren Parlamentarismus, ein selbstbewusstes Parlament – dabei sieht er auch jede/n einzelne/n Abgeordnete/n in der Pflicht.

Budgetdienst als kompetenter Ansprechpartner

Derzeit steht den Abgeordneten ein bestimmtes Budget zur Verfügung, um parlamentarische MitarbeiterInnen zu beschäftigen. Hangers MitarbeiterInnen arbeiten in den Bereichen Terminmanagement, Öffentlichkeitsarbeit und Beratung in Budget- und Finanzfragen. Eine Aufstockung dieser Ressourcen hält er nicht für notwendig. Grundsätzlich seien auch genügend Informationsquellen gegeben. Wie bereits andere Abgeordnete, mit denen wir gesprochen haben, lobt auch Hanger die Zusammenarbeit mit dem Budgetdienst, den er als kompetenten und wichtigen Ansprechpartner erlebt. Eine Umlegung dieser Einrichtung auf andere Themenbereiche, nach dem Vorbild der wissenschaftlichen Dienste im deutschen Bundestag, würde Hanger absolut unterstützen. Das könnte helfen, das Instrument der Initiativanträge auch tatsächlich zu nutzen. Hier sieht er großen Nachholbedarf.

Gesetzgeber ist das Parlament

Hanger betont, dass auch die Regierung den parlamentarischen Prozess ernst nehmen muss: „Wir reden von einer Regierungs’vorlage’, nicht vom Gesetz. Gesetzgeber ist nun mal das Parlament.“ Er spielt auf die Diskussion rund um Begutachtungsfristen an: „Es braucht schon ausreichende Begutachtungsfristen, sonst ist es ja gar nicht möglich, Gesetze im Parlament ordentlich zu diskutieren.“ Auch die Lesbarkeit von Gesetzen sei ein Problem. Gerade Entwürfe, die nicht im Bereich des eigenen Fachthemas liegen, seien oft schwer „zu übersetzen“. Gesetzesvorlagen in Form von Fließtexten wären hilfreich. Auch beim Instrument der Folgenabschätzung ist es ähnlich: Oft seien zu viele Wirkungsziele definiert, nicht alle seien auch aussagekräftig. Nach dem Motto „Weniger ist mehr“ empfiehlt Hanger, Vereinfachungen vorzunehmen. Ansonsten bestehe beim Prozess der Folgenabschätzung wenig Änderungsbedarf.

Vorhandenes Angebot muss genutzt werden

Für Hanger ist klar, von wem letztlich eine Stärkung des Parlaments abhänge: „Ich bin kein Parlamentarier, der sagt: Wir brauchen jetzt die ganz großartige Systemänderung. Es liegt schon auch am einzelnen Abgeordneten.“ Jede und jeder sei gefordert. Wenn jemand Expertise in einem Bereich entwickeln will, dann seien dafür ausreichend Instrumente vorhanden. Man müsse das Angebot auch in Anspruch nehmen. Das gelte auch für die Verbesserung des Austausches zwischen den Abgeordneten der verschiedenen Fraktionen. Laut Hanger sind die (meist informellen) Strukturen, die es dafür benötigt, vorhanden. Er selbst spielt Fußball beim FC Nationalrat, bringt sich im Rahmen der parlamentarischen Freundschaftsgruppen ein und fährt als Mitglied der paritätisch besetzten Kommissionen auf Wahlbeobachtermission.

BürgerInnenbeteiligung findet im Wahlkreis statt

Hanger könnte sich zwar eine Etablierung von BürgerInnenräten vorstellen, ist aber grundsätzlich skeptisch, neue Beteiligungsverfahren einzuführen. Er ist ein Verfechter der repräsentativen Demokratie und sieht sich selbst als klassischen Wahlkreisabgeordneten, da er über Vorzugsstimmen ins Parlament gewählt wurde. Laut Eigenangabe verbringt er als Abgeordneter die meiste Zeit in seinem Wahlkreis. Die ständige Kommunikation mit WählerInnen im Wahlkreis, im Rahmen seines ehrenamtlichen Engagements vor Ort, sieht er als eine durchaus funktionierende Form eines Bürgerbeteiligungsprozesses: „Ich bilde eine Brücke zwischen dem Mostviertel und meiner Arbeit in Wien. Es ist entscheidend, alles was hier passiert, in den Wahlkreis zu kommunizieren und entsprechend rückzukoppeln.“

 

Interview und Text: Maximilian Blassnig.

Bild: © Parlamentsdirektion / Thomas Topf