Steckbrief

Das finnische Experiment „Crowdsourcing for Democracy“ dient der Einbeziehung von BürgerInnen in den Gesetzgebungsprozess. Dadurch soll das Vertrauen der BürgerInnen in demokratische Institutionen gestärkt werden.

Land Finnland
Practice Crowdsourcing for Democracy
Abhängig/unabhängig Kein institutionalisierter Prozess, daher letztendlich von einer Willensentscheidung der zuständigen PolitikerInnen abhängig
Aufgabe Einbeziehung der BürgerInnen in den Gesetzgebungsprozess
Kompetenzen Probleme definieren und im Rahmen eines Diskussionsprozesses Gesetzesentwürfe ausarbeiten
Vorteile Stärkung des Vertrauens in demokratische Prozesse
Existiert seit 2013
Beschreibung

Die Idee hinter dem finnischen Experiment ist einfach: Eine große Gruppe von Menschen findet mehr Lösungsansätze als nur einige wenige. Kollektive Intelligenz soll im Gesetzgebungsprozess genutzt werden. Es handelt sich dabei nicht um direkte Demokratie, da keine Entscheidungen getroffen, sondern Gesetze ausgearbeitet werden.

Das Experiment in Finnland wurde im Rahmen einer Überarbeitung eines Schneemobilgesetzes durchgeführt. Im Norden Finnlands sind viele Menschen auf den Einsatz von Schneemobilen angewiesen. Das Gesetz, das den Verkehr auf unbefestigten Straßen regelt, stammte aus dem Jahr 1995 und war nicht auf die stark gestiegene Zahl an Schneemobilen ausgerichtet. Nachdem Druck auf die Regierung ausgeübt wurde, das veraltete Schneemobilgesetz an die heutigen Bedingungen anzupassen, wurde vom zuständigen Minister und dem Komitee für Zukunft des finnischen Parlaments die Entscheidung zur Durchführung des Crowdfunding-Experiments getroffen. Auf einer eigens für das Projekt eingerichteten Website wurde ab Januar 2013 nach den Problemen im aktuellen Gesetz gefragt. Alle BürgerInnen mit Internetzugang konnten teilnehmen. ExpertInnen der Regierung und aus der Wissenschaft haben anschließend aufbauend auf diese Wortmeldungen konkrete Fragen zu möglichen Lösungen formuliert. In einer zweiten Phase von März bis Juni 2013 wurden die teilnehmenden BürgerInnen eingeladen, in einem Online-Diskussionsprozess Antworten auf diese Fragen zu geben und somit Inputs für einen neuen Gesetzesentwurf zu liefern. Über 700 BürgerInnen nahmen an dem Experiment teil. 14.000 Menschen besuchten zumindest einmal die Website zum Experiment.

Vergleich zu Österreich

In Österreich startet der Gesetzgebungsprozess meist durch Entwürfe der Bundesregierung. Ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung muss – bevor er in den Nationalrat eingebracht werden kann – noch an verschiedene Interessengruppen ausgeschickt werden, die Kommentare dazu abgeben können. Es handelt sich dabei um die sogenannte Begutachtungsphase. Der Nachteil dabei ist, dass die einbezogenen Interessengruppen nicht alle BürgerInnen vertreten. Wer nicht selbst in einer solchen Gruppe aktiv ist, bekommt selten etwas von der Begutachtungsphase mit und kann sich kaum aktiv einbringen.  Die in Österreich neu geschaffene Möglichkeit, online Stellungnahmen zu fertigen Gesetzesentwürfen abzugeben, ist nicht mit dem finnischen Projekt vergleichbar, in dem die Entwürfe selbst mit den BürgerInnen gemeinsam erarbeitet wurden.

Vorteile

Das Crowdsourcing-Format bringt mehrere Vorteile mit sich: Es schafft Vertrauen in den Ablauf demokratischer Prozesse, denn der Gesetzgebungsprozess wird dadurch transparenter und die Abgeordneten müssen ihre Entscheidungen besser erklären, wenn sie den Vorschlägen der BürgerInnen nicht folgen. Im Vorfeld eines Gesetzesbeschlusses findet eine breite Diskussion statt, dadurch lernen alle TeilnehmerInnen auch Argumente der Gegenseite kennen und verstehen, was letztlich eine Stärkung einer demokratischen Gesellschaft bewirkt. Jedoch hat das finnische Experiment gezeigt, dass sich vor allem besser gebildete Personen und Männer an dem Prozess beteiligen. Hier gilt es Wege zu finden, das Modell repräsentativer zu gestalten. Noch gibt es für das finnische Experiment keinen institutionalisierten Prozess, sodass die Entscheidung, ob die Ideen der BürgerInnen letztlich zu einem Gesetz werden, weiterhin von den zuständigen PolitikerInnen abhängt. Hier sollte das Ziel sein, die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Recherche und Text: Maximilian Blassnig