Man sieht sie im Plenum diskutieren, vielleicht ein, zwei Mal im Jahr bei Veranstaltungen im eigenen Grätzl oder Bezirk und liest oder hört Interviews in den Medien: Unsere Vertreterinnen und Vertreter im Nationalrat. Aber wie sieht der Alltag von Abgeordneten eigentlich aus? Sigi Maurer hat mit uns über das parlamentarische Handwerk und ihre Erfahrungen als Abgeordnete gesprochen.

Mit festem Händedruck und breitem Lächeln, das aufmerksame Beobachter der Wissenschaftspolitik die letzten Jahre stets begleitet hat, betritt Sigi Maurer das Respekt.net Büro in der Neubaugasse. Nach ihrem Engagement in der Österreichischen HochschülerInnenschaft, arbeitete sie ab 2013 als Abgeordnete. Der dritte Listenplatz in Wien hätte ihr auch für diese Legislaturperiode die Möglichkeit gegeben, sich für Themen rund um Bildung und politische Partizipation weiterhin im Nationalrat einzusetzen. Nach dem Ausscheiden der Grünen wird sie sich neu orientieren.

Mein Zugang: Es gibt eine Problemlage, für die es eine politische Lösung zu finden gilt.“

Als sie vor vier Jahren ihre Arbeit im Parlament startete, konnte sie bereits gut einschätzen, was auf sie zukommen würde: „Ich hatte keine Illusionen“, wie sie selbst beschreibt. Was sie aber hatte war eine konkrete Vorstellung, wie sie das parlamentarische Handwerk ausüben wollte.

Im Austausch mit ExpertInnen und Betroffenen aus den jeweiligen Bereichen, werden Informationen ausgetauscht und politische Positionen erarbeitet. Im Parlament selbst werden über Anfragen, (Initiativ)Anträge, die Reden im Plenum und die Arbeit in den Ausschüssen diese Positionen vertreten und in den Gesetzgebungsprozess eingebracht. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden dann wieder an die Öffentlichkeit getragen. Soviel zur Theorie.

Aus dem Bauch des Parlaments kommt wenig.“

Initiativanträge, also solche in denen der Gesetzestext ausformuliert sein muss, sind aufwendig. Es gibt keinen legistischen Dienst und als Oppositionspolitikerin hatte ich dafür auch kaum Zugriff auf die Expertise in der Verwaltung.“ Aber auch andere Parlamentarier scheinen diese Möglichkeit kaum zu nützen – Regierungsvorlagen dominieren. „Das österreichische Parlament ist kein klassisches Arbeitsparlament – im Nationalrat werden hauptsächlich Regierungsvorlagen diskutiert und beschlossen“, schildert Sigi Maurer.

Schriftliche Anfragen waren für sie innerhalb des Hohen Hauses das wesentliche Instrument, um Informationen aus den Ministerien zu erfragen und einer öffentlichen Debatte zuzuführen: Sie stellte insgesamt 111 in den letzten vier Jahren. Diese müssen von der Verwaltung bearbeitet und binnen zwei Monaten beantwortet werden. Wenn hilfreiche Antworten gefolgt sind, hat sie diese öffentlichkeitswirksam verbreitet. Manchmal hat auch die Anfrage an sich bereits Anstoß zu Reaktionen innerhalb der Verwaltung geführt. Es kam aber auch vor, dass Anfragebeantwortungen nicht sinnvoll verwendbar waren.

Die Politik hört nie auf.“

Die Öffentlichkeit spielte für Sigi Maurer nicht nur in diesem Prozess eine wichtige Rolle: Auch Führungen im Parlament selbst mit Schulklassen und interessierten Gruppen sowie die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern in der Demokratiewerkstatt des Parlaments waren ein wichtiger Bestandteil der Arbeit als Abgeordnete. Die Öffnung des Parlaments hin zur Bevölkerung ist für Sigi Maurer zentral: „Die Aufgabe von ParlamentarierInnen ist es Mehrheiten zu schaffen – auch in der Bevölkerung.“ Der Austausch mit der Öffentlichkeit beschränkt sich dabei nicht auf den Kontakt mit JournalistInnen: Veranstaltungen, Podiumsdiskussionen und Vernetzungstreffen sind ein wichtiger Teil der Arbeit. Die Debatte wird natürlich auch in der Freizeit mit FreundInnen weitergeführt. „Politik hört nie auf. Da gibt es keine fixen Arbeitszeiten“, erklärt sie mit einem Schmunzeln.

Die Öffentlichkeit hat ein Recht alles zu erfahren, was im Parlament passiert.“

Zwei Punkte sind Sigi Maurer ebenfalls ein Anliegen, um die Qualität der Arbeit im Parlament verbessern zu können: Zum einen, die Arbeit in den Ausschüssen. Mit mehr Öffentlichkeit, beispielsweise durch Übertragungen auch aus den Ausschüssen, würde es klarer sein, was gerade zur Debatte steht und wie argumentiert wird. „Es gibt die Angst, dass eine solche Übertragung zu einem Schaulaufen wie im Plenum führen würde.“ Allerdings wäre das nur dann begründet, wenn die Ausschüsse auch wirklich dazu genützt werden würden, sich informell mit Ministern und Parlamentariern auszutauschen, was ihrer Erfahrung nach nie der Fall gewesen sei. Absprachen und der Versuch, Kompromisse in Form gemeinsamer Anträge zu erarbeiten, finden außerhalb der Ausschüsse statt. Für die Nachvollziehbarkeit der Debatte im Parlament wäre es aber wichtig, für die Bevölkerung eine moderne Aufbereitung der Inhalte auf der Parlamentsseite einzurichten, beispielsweise mit Videos der Reden auf den einzelnen Seiten der Abgeordneten. Was aber besonders die beiden letzten Jahre noch ein größeres Problem im Plenum und den Ausschüssen des Parlaments darstellte, war eine „Verrohung der Sprache“, wie Sigi Maurer es beschreibt: „Wenn wir es nicht schaffen respektvoll miteinander umzugehen, wie soll das dann von der Bevölkerung erwartet werden.“

Zum anderen wäre auch eine Verbesserung der Serviceleistungen für die Abgeordneten notwendig, um unabhängig von der Verwaltung arbeiten zu können – wie es auch die Initiative Starke Abgeordnete fordert. Ein Vorbild dafür wäre der wissenschaftliche und legistische Dienst im deutschen Bundestag.

Interview und Text: Simone Rudigier.

Bild: © Johanna Rauch