Wir haben allen bundesweit zur NR-Wahl antretenden Parteien folgende zwei Fragen zu Checks and Balances zukommen lassen:
Aktuell werden sechs Verfassungsrichter von der Bundesregierung sowie jeweils drei Richter von Nationalrat und Bundesrat bestellt. Unser Vorschlag ist: Jeweils vier Richter sollen von der Bundesregierung sowie von Bundesrat und Nationalrat mit Zwei-Drittel-Mehrheit bestellt werden. Wie ist diesbezüglich die Position Ihrer Partei?
Welche Ideen hat Ihre Partei zur Entpolitisierung der Gremien des ORF (Stiftungsrat, Publikumsrat, etc.)?
Hier listen wir die gesammelten Antworten in chronologischer Reihenfolge nach Rückmeldung auf:
FPÖ
Die Rechtsprechung als dritte staatliche Gewalt muss auch in Zukunft unter der verfassungsrechtlichen Garantie der absoluten Unabhängigkeit stehen, wobei der Verfassungsgerichtshof als Höchstgericht auch die politische Landschaft abbilden muss.
Das Volksbegehren zur Abschaffung der GIS hat klar und deutlich gezeigt, dass das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Disposition steht. Ein veränderter Medienmarkt braucht auch einen neu aufgestellten öffentlichen Rundfunk und dies trifft in besonderer Form auch auf den ORF zu, der ein Milliardenunternehmen mit einer Struktur der 60er-Jahre ist. Ein wichtiger erster Schritt zur Entpolitisierung des ORF sind klare Compliance Regelungen, wie sie bei Unternehmen dieser Größe internationaler Standard sind.
NEOS
Verfassungsrichter_innen sollen auch außerhalb der Regierungsparteien breites Vertrauen genießen. Daher sind wir der Ansicht, dass die Verfassungsrichter_innen von Nationalrat und Bundesrat mit Zwei-Drittel-Mehrheit bestellt werden sollen. Auch eine demokratischere Verteilung des Vorschlagsrechts würden wir begrüßen.
Der Stiftungsrat und der Publikumsrat des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden derzeit von parteipolitischer Logik dominiert und sind oft – wie man am Vorsitzenden des Stiftungsrates sehen kann – ihrer jeweiligen Partei behilflich, wenn es darum geht, auf den ORF Druck auszuüben. Wir fordern daher, dass ähnlich wie in Deutschland (wo der Verfassungsgerichtshof 2014 entschieden hat, dass die mehrheitliche Besetzung der Gremien von ZDF und den Dritten mit parteipolitischen und staatsnahen Vertreter_innen nicht zulässig ist, Anm.) die Parteienvertreter in den Gremien jedenfalls eine Minderheit stellen. Stattdessen sollen Vertreter_innen der Zivilgesellschaft und geloste Personen aus der Bevölkerung eine „Hauptversammlung“ bilden, die auf Basis von Ausschreibungen und Hearings ein Präsidium wählt. Dieses bestellt wiederum einen mehrköpfigen Vorstand, ebenso auf Basis von Ausschreibungen und Hearings.
Die Grünen
Die Auswahl und Wahl der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs soll jedenfalls transparenter und objektiver erfolgen. Der Frauenanteil sollte gehoben werden. Derzeit werden die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs von der Bundesregierung (6 plus Präsident_in und Vizepräsident_in), vom Nationalrat (3) und vom Bundesrat (3) bestimmt. Im Nationalrat und im Bundesrat ist es Usus, die Kandidat_innen einem Hearing im Verfassungsausschuss zu unterziehen. De facto werden alle Mitglieder von den Regierungsparteien bestimmt. Es haben nur Kandidat_innen Chancen, die Kontakte zu diesen Parteien bzw. bestimmenden Personen pflegen. Dadurch kommen viele qualifizierte Kandidat_innen gar nicht in die engere Wahl. Daher sollte – ähnlich wie beim Gerichtshof der Europäischen Union und beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof – eine Begutachtungskommission zwischengeschaltet werden. Aber auch ein breiterer gesellschaftlicher Konsens durch höhere Zustimmungserfordernisse sind hier absolut diskussionswürdig.
Der ORF muss endlich in die parteipolitische Unabhängigkeit entlassen werden. Dafür muss die Bestellung der Stiftungsrät_innen auf eine breite Basis gestellt und von den Parteien entkoppelt werden, damit es keine Möglichkeit mehr gibt, unangepasstes Abstimmungsverhalten im Stiftungsrat durch den Austausch der Personen zu sanktionieren. Die Beschickung des Stiftungsrats sollte nach einer Novellierung des ORF-Gesetzes durch einen zivilgesellschaftlich besetzten Konvent erfolgen. Der Wahl sollte ein öffentliches Hearing vorangehen.
Liste JETZT
Guter Vorschlag, dem wir uns vollinhaltlich anschließen (Anm. d. Redaktion: Die Forderung bezüglich Bestellung im Verfassungsgerichtshof ist gemeint).
Derzeit werden (Anm. d. Redaktion: beim ORF) 32 von 35 Stiftungsräten von Parteien gestellt. Obwohl es sinnvoll ist, dass politische Parteien als Vertreter ihrer Wählerinnen und Wähler Einfluss im staatlichen Rundfunkt haben, handelt sich hierbei um ein krasses Übergewicht.
JETZT schlägt vor, den ORF-Aufsichtsrat drittelparitätisch zu besetzen: 1/3 ORF-MitarbeiterInnen, 1/3 ParteienvertreterInnen, 1/3 unabhängige Mitglieder (Publikum, Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur), die von den übrigen Mitgliedern bestellt werden.
Außerdem soll das Aufsichtsgremium verkleinert werden. Wie die Redaktion des ORF in einem gemeinsamen Protestvideo 2012 festgestellt hatte, werde in den Redaktionen in einem Ausmaß gespart, das die journalistische Qualität gefährdet. Gleichzeitig sei genug Geld vorhanden, um neue Stellen zu schaffen, die kaum maskierte politische Versorgungsposten sind. Dieser Entwicklung muss ein Riegel vorgeschoben werden.
Der Wandel
Wir schließen uns der Forderung von Respekt.net an, dass Verfassungsrichter in einem transparenten und von Parteiinteressen unabhängigen Verfahren ausgewählt werden sollen. Unser Forderung nach einem Bürgerrat, der den aktuellen Bundesrat abschafft unterstützt diese Argumentation. Es ist auch denkbar, dass VerfassungsrichterInnen von allen Mitgliedern der Österreichischen Richtervereinigung gewählt werden. Für eine Festlegung auf eine konkrete Position unsererseits braucht es allerdings zuerst eine transparente Debatte, in der alle betroffenen Stakeholder zu Wort kommen.
Unser Ziel ist, alle öffentlichen Institutionen in Österreich aus der direkten Einflusssphäre von Parteien zu befreien und die entsprechenden Entscheidungsgremien zu demokratisieren. Der ORF ist als öffentlich-rechtlicher Rundfunk ein zentrales Informationsmedium für unsere Demokratie. Deshalb schlagen wir vor, den ORF Stiftungsrat abzuschaffen und durch einen reformierten Publikumsrat zu ersetzen. Zum anderen wollen wir die unabhängige Arbeit der JournalistInnen massiv stärken. So sollen sie im journalistischen Bereich im Redakteursrat bestimmen und auch den Generaldirektor wählen.
ÖVP
Ein transparenter, nachvollziehbarer Bestellmodus für hohe Staatsämter, der die Bestellung geeigneter Kandidaten sicherstellt, ist der Neuen Volkspartei ein großes Anliegen. Sowohl die Institution des Verfassungsgerichtshofs als auch seine einzelnen Mitglieder genießen in Österreich seit Jahrzehnten großes Vertrauen und Ansehen – in der Bevölkerung und über Parteigrenzen hinweg. Das ist gut so, und ein wichtiges Fundament für unseren Rechtsstaat. Die Rahmenbedingungen für die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofs können dabei durchaus in einzelnen Bereichen weiterentwickelt werden; Änderungen im Bestellmodus sind als eine von vielen Möglichkeiten zu diskutieren. Jedenfalls muss sichergestellt sein, dass dieser Bestellmodus auf fachliche Kriterien abzielt.
Um auch im Zeitalter der Digitalisierung österreichische Identität und Inhalte im Sinne des öffentlich-rechtlichen Auftrags sicherzustellen, braucht es eine umfassende Reform des ORF. Das kann auch die Gremien betreffen. Dabei ist wichtig, dass handelnde Akteure aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz bestellt bzw. gewählt werden.
Alternative Liste (KPÖ Plus)
Wir kandidieren als Bündnis “Alternative Listen, KPÖ Plus, Linke und Unabhängige” und haben uns zusammengefunden um uns für leistbares Wohnen, eine Ende der Spaltung der Gesellschaft, ein Ende von käuflicher Politik und sozial gerechte Maßnahmen gegen die Klimakrise einzusetzen. Zur Frage der Bestellung von Verfassungsrichtern und Verfassungsrichterinnen haben wir noch keine gemeinsame Position. Wir sind aber immer für die Stärkung des direkt gewählten Parlaments gegenüber der Regierung.
Der ORF soll ein Instrument der demokratischen Öffentlichkeit in ihrer Gesamtheit sein. Wir wollen den ORF als öffentlich-rechtliches Unternehmen erhalten, jedoch Demokratisierung, Abbau des parteipolitischen Einflusses, mehr Mitsprache der Zivilgesellschaft und Reduzierung von Kommerz und Eventisierung erreichen.
SPÖ
Die Bestellungsmodalitäten für die Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichtshofes gehören zu den sensibelsten verfassungspolitischen Fragen. Nach dem jetzigen Bestellmodus hat die Bundesregierung ein gewisses Übergewicht im Vergleich zu Nationalrat und Bundesrat, insbesondere was die Bestellung der Präsidentin/des Präsidenten und der Vizepräsidentin/des Vizepräsidenten betrifft. Der Vorschlag, für Nationalrat und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit bei der Wahl der Richter einzuführen, wird schon seit längerer Zeit diskutiert. Der Vorschlag hat den Vorteil, dass die Oppositionsfraktionen in einem höheren Ausmaß als bisher in diese Entscheidungen eingebunden sind, was natürlich zu begrüßen ist. In Kauf nehmen muss man dabei jedoch, dass der Bestellungsvorgang dadurch komplizierter und zeitaufwendiger wird und am Schluss wahrscheinlich immer ein Kompromiss herauskommen wird, was bei Personalentscheidungen nicht immer von Vorteil sein muss. Eine solche Änderung bräuchte jedenfalls eine breite Unterstützung im Nationalrat und im Bundesrat. Was die SPÖ außerdem vorschlägt, ist eine „Abkühlungsphase“ für Regierungsmitglieder vor einer Bestellung zum/r VfGH-RichterIn – so wie es eine solche für Nationalratsabgeordnete schon gibt.
Die Strukturen des ORF müssen an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden: Es braucht eine flexible und klare Organisation und adäquate Aufsichtsstrukturen (geteilte Verantwortung). Die Zusammensetzung des Stiftungsrates soll sich verstärkt am D‘Hondt´schen-System (Nationalrat) orientieren. Es bedarf der Umsetzung einer Vorstand-Aufsichtsratsstruktur und des Prinzips gemeinsamer Führungsverantwortlichkeit.
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