Was sagen eigentlich die Abgeordneten zu den Arbeitsbedingungen im Parlament? Klubobmann-Stellvertreter des NEOS Parlamentsklubs Niki Scherak hat mit uns über seine Erfahrungen im Nationalrat, seine Leidenschaft für das Parlament und seine Wünsche für die Zukunft gesprochen.
Niki Scheraks Einstieg in die Politik begann mit einem Zeitungs-Artikel zur Europawahl 2009, der ihn auf die Jungen Liberalen aufmerksam machte. Bereits drei Monate nach seinem Einstieg stieg er zum Stellvertretenden-Bundesvertreter der JuLis, 2010 dann zum Bundesvorsitzenden auf. Mit dem Wahlbündnis zwischen NEOS und JuLis bei der Nationalratswahl 2013 wurde er zum Abgeordneten des Nationalrats gewählt. Seit kurzem ist er außerdem Obmann des Menschenrechts-Ausschusses.
„Die Möglichkeit, dass die Abgeordneten selbst ein Gesetz schreiben liegt bei null.“
Auf die Frage was die Arbeit im Parlament verbessern könnte, gibt Niki Scherak eine klare Antwort: Es gebe großen Bedarf an mehr Ressourcen für die einzelnen Abgeordneten im Parlament. Vor allem mangle es an legistischer und wissenschaftlicher Unterstützung. Sprich, MitarbeiterInnen die den einzelnen Abgeordneten zuarbeiten und sie in ihrer täglichen Arbeit im Parlament unterstützen.
Zwar liegt die Parteifinanzierung in Österreich im EU-Vergleich auf Nummer eins, dies muss jedoch von dem Budget, welches den Abgeordneten für ihre eigenen MitarbeiterInnen zur Verfügung steht, unterschieden werden: Das maximale Gehalt für eine Mitarbeiterin bzw. einen Mitarbeiter eines Abgeordneten beträgt monatlich ca. € 3.500,- brutto. Im Vergleich steht den ParlamentarierInnen im Deutschen Bundestag monatlich etwa € 22.000,- zur Verfügung, um MitarbeiterInnen zu beschäftigen. Hierdurch können sich die deutschen KollegInnen also einerseits qualifiziertere, und andererseits mehr MitarbeiterInnen leisten. „In Deutschland beschäftigen die ParlamentarierInnen regelmäßig 4-5 MitarbeiterInnen,“ gibt Niki Scherak zu bedenken.
Derzeit gibt es im österreichischen Parlament zwar einen Dienst, welcher die Abgeordneten bei Fachfragen unterstützt – nämlich die verschiedenen Dienste der Parlamentsdirektion – diese werden jedoch nur auf Antrag des Nationalratspräsidenten tätig. Eine Ausnahme hiervon ist der Budgetdienst. Dieser erarbeite aber einerseits nur Fragen in Bezug auf das Budget und andererseits seien die neun MitarbeiterInnen als Unterstützung von 183 ParlamentarierInnen einfach zu wenig.
„Dass etwas in den Ausschüssen abgeändert wird, passiert praktisch nie.“
Nachdem ein Gesetzesantrag im Nationalrat eingebracht wurde, wird er zunächst an die Mitglieder des Nationalrats verteilt und danach einem Ausschuss zugeteilt. Das bedeutet, dass prinzipiell jedes Gesetz bevor es im Nationalrat beschlossen werden kann, in einem Ausschuss diskutiert werden muss.
Was sich in der Theorie so leicht anhört, erweist sich in der Praxis jedoch als kompliziert: „Sehr oft sind die Ausschusssitzungen nur Show,“ schildert Scherak seine Eindrücke. Nur selten würden in Ausschusssitzungen Abänderungen von Gesetzesanträgen vorgenommen. Ein großes Problem bestehe zudem bei Gesetzesinitiativen der Opposition: Oft werden diese in den Ausschüssen vertagt, ohne dass eine inhaltliche Diskussion stattfindet. Da die Gesetzesanträge also nicht abgelehnt werden, bedarf es hierfür keiner Erklärung, und die Anträge kommen auch nicht zurück in das Plenum des Nationalrats. Schlussendlich führe dies also zur Vertagung von Oppositionsanträgen ohne inhaltlicher Begründung.
Aus diesem Grund setzen sich Niki Scherak und andere ParlamentarierInnen dafür ein, Ausschusssitzungen grundsätzlich öffentlich zu machen. „Es geht um das Prinzip, dass BürgerInnen wissen sollen, was in den Ausschüssen diskutiert wird.“ Die Öffentlichkeit von Ausschüssen würde auch zutage bringen, wenn Oppositionsanträge ohne Begründung vertragt werden.
„Die Abgeordneten müssen sich anders wahrnehmen: Sie sind die Gesetzgeber.“
Das Grundproblem sieht Niki Scherak darin, dass ParlamentarierInnen sich nicht als Gesetzgeber wahrnehmen. Das Parlament ist das Rückgrat der Demokratie – hier entstehen Gesetze. Jedoch fehle es derzeit vielen Abgeordneten an Mut, Ressourcen und Motivation. „Es hat sich über die Jahrzehnte eingebürgert, dass das Parlament nur als verlängerte Werkbank der Regierung tätig ist.“ In der Praxis entstehen Gesetze also in den Ministerien und werden im Parlament nur abgenickt. Streng genommen, wird die Gewaltenteilung von vielen nicht sonderlich ernst genommen.
„Das grundsätzliche Problem ist, dass das Parlament nicht selbstbewusst genug ist,“ meint Niki Scherak abschließend. Wenn die ParlamentarierInnen mehr Mut hätten, hätten wir viele dieser Probleme gar nicht.
Interview und Text: Daniela Amann.
Bild: © Parlamentsdirektion / Thomas Jantzen