Die Entstehung von Gesetzen
In Österreich besteht der Gesetzgebungsprozess grob gesehen aus drei Phasen: dem Vorschlag eines Gesetzes, der Diskussion im Parlament und der Entscheidung des Gesetzes. Obwohl dieser Prozess klar gesetzlich geregelt ist, bestehen in der Praxis erhebliche Freiheiten in der Ausführung dieser Regelungen. Wir führen laufend Gespräche mit Abgeordneten aller Parteien sowie ExpertInnen aus Wissenschaft und Praxis und fragen nach, wie die Gesetzgebung wirklich funktioniert.
Vorschlag
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, wie ein Gesetz in das Parlament eingebracht werden kann.
Theorie
Ein Gesetzes-Entwurf kann durch die folgenden Personen in den Nationalrat eingebracht werden:
- die Bundesregierung mit einem einstimmigen Beschluss aller Minister als Regierungsvorlage.
- fünf Abgeordnete des Nationalrates in Form eines Initiativantrags.
- Ausschüsse des Nationalrats, wenn der Antrag thematisch in einem inhaltlichen Zusammenhang mit einem anderen Gegenstand steht, der bereits im Ausschuss beraten wird.
- ein Drittel der Mitglieder des Bundesrates oder der Bundesrat mit Mehrheitsbeschluss.
- ein Volksbegehren mit Unterschriften von 100.000 Stimmberechtigten oder je einem Sechstel der Stimmberechtigten dreier Bundesländer.
Praxis
In der Praxis bringt die Bundesregierung einen Großteil der Gesetzesvorschläge in den Nationalrat ein: Zunächst erstellt das zuständige Ministerium einen ersten Gesetzesentwurf. Das genauere Verfahren der Verfassung dieses Entwurfes – etwa ob ExpertInnen und Stakeholder in dieser Phase eingebunden werden– hängt von den agierenden Personen im jeweiligen Ministerium ab.
Dieser sogenannte Ministerialentwurf wird dann einem Begutachtungsverfahren unterzogen, in dem den Bundesministern, den Landesregierungen sowie Interessensvertretungen der Entwurf zur Stellungnahme vorgelegt wird. Zudem können auch Personen, die keine direkten AdressatInnen einer Einladung zur Begutachtung sind, Stellungnahmen zu Ministerialentwürfen abgeben. Eine Anleitung hierzu gibt es auf der Parlamentsseite. Wird der Entwurf nach dem Begutachtungsverfahren vom Ministerrat einstimmig angenommen, wird er als Regierungsvorlage ins Parlament eingebracht.
Initiativanträgen von OppositionspolitikerInnen gibt es dahingegen nur selten. Grund hierfür sind unter anderem die mangelnden personellen und finanziellen Ressourcen, die den Abgeordneten zu Verfügung stehen.
Diskussion
Vorschläge werden sowohl in Ausschüssen bearbeitet, als auch im Plenum des Parlaments diskutiert.
Theorie
Erste Lesung: Die erste Lesung beschränkt sich auf die Besprechung der allgemeinen Grundsätze des Antrags. Bei Initiativanträgen oder Vorschlägen eines Ausschusses findet nie eine erste Lesung statt.
Vorbearbeitung im Ausschuss: In den Ausschüssen diskutieren Abgeordnete ausführlich über den Gesetzesentwurf. Bei besonders wichtigen oder schwierigen Materien kann zusätzlich auch ein Unterausschuss eingesetzt werden. Im Ausschuss werden oft Änderungen am Gesetzesentwurf vorgenommen. Die Ausschusssitzungen sind grundsätzlich nicht öffentlich.
Zweite Lesung: In der zweiten Lesung findet eine Generaldebatte und eine Spezialdebatte statt. In letzterer können noch letzte Abänderungen vorgenommen werden.
Praxis
Die Diskussion im Parlament steht vor vielen Herausforderungen. Aufgrund fehlender personeller und finanzieller Ressourcen werden nur wenige Initiativanträge der Opposition ins Parlament eingebracht. Dies führt dazu, dass im Parlament hauptsächlich Regierungsvorlagen diskutiert und beschlossen werden. Eine richtige Diskussion, sowie überparteilich organisierte Gespräche zwischen den Abgeordneten, bleiben jedoch meistens aus. Auch die Zeit in Ausschüssen wird oft nicht für sachliche Diskussionen genützt.
Entscheidung
Am Ende des Prozesses steht die Entscheidung des Nationalrates.
Theorie
Dritte Lesung: In der dritten Lesung wird über den gesamten Entwurf abgestimmt. Hier können nur mehr Widersprüche, Schreib- und Druckfehler geändert werden. Um einen gültigen Beschluss zu fassen, muss ein Drittel der Abgeordneten anwesend sein und für einen Gesetzesbeschluss die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erlangt werden. Bei einem Verfassungsgesetz muss mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend sein und eine Mehrheit von zwei Drittel dem Gesetzesvorschlag zustimmen.
Mitwirkung des Bundesrates: Nachdem der Nationalrat einen Gesetzesbeschluss gefasst hat, wird dieser dem Bundesrat übermittelt, welcher innerhalb von acht Wochen einen begründeten Einspruch erheben kann. Geschieht dies, kann der Nationalrat erneut über den Gesetzesbeschluss abstimmen (Beharrungsbeschluss). Nur wenn in einem Verfassungsgesetz die Zuständigkeiten der Länder in Gesetzgebung und Vollziehung eingeschränkt werden sollen, ist die Zustimmung des Bundesrates notwendig („absolutes Vetorecht“ des Bundesrats).
Praxis
In Österreich besitzen Abgeordnete ein freies Mandat: Ihre Meinung sollte ausschlaggebend dafür sein, ein Gesetz zu beschließen. Dies ist sogar in unserer Verfassung verankert. In der Praxis gibt es jedoch das Fraktionsprinzip. Das bedeutet, dass sich Abgeordnete grundsätzlich an die vor der Abstimmung im Parlament ausgegebene Entscheidung der Partei halten. Oft führt dies dazu, dass Gesetzesentwürfe der Regierungsparteien ohne viel Diskussion bzw. Möglichkeit der Opposition Änderungen einzubringen verabschiedet werden.
Obwohl die Qualität der Gesetze bei der Entscheidung eine Rolle spielen sollte, sind Gesetze häufig unübersichtlich, schwer verständlich und praktisch oft kaum bzw. nur schwer umsetzbar. Zuweilen werden sogar die Regeln des Gesetzgebungsverfahrens nicht eingehalten oder gegen übergeordnete Gesetze verstoßen.
Das Ziel von starke Abgerodnete ist es eine Diskussion darüber anzuregen, wie der Parlamentarismus in Österreich gestärkt und verbessert werden könnte. Aus diesem Grund führen wir laufend Gespräche mit Abgeordneten aller Parteien sowie ExpertInnen aus Wissenschaft und Praxis und fragen nach, wie die Gesetzgebung wirklich funktioniert und wie die Arbeit im Parlament verbessert werden könnte. Alle Gespräche und Beiträge sind in unserem Blog-Bereich veröffentlicht.