Wildwuchs Bundesverfassung

Worum geht es

Das österreichische Bundesverfassungsrecht umfasst alle Regelungen, die im Verfassungsrang stehen. Neben den zentralen Bestimmungen des Bundesverfassungsgesetzes (B-VG), zählen hierzu auch zahlreiche weitere Bundesverfassungsgesetze, einzelne Gesetzesbestimmungen, welche im jeweiligen Gesetz als Verfassungsbestimmung gekennzeichnet sind, sowie gewisse Staatsverträge, die im Verfassungsrang stehen. Grundsätzlich zählen zu diesen Regelungen auch spezielle Gesetze, welche die Grundlage für staatliches Handeln darstellen.

Zuletzt wurde das Bundes-Verfassungsgesetz 2016 geändert. Mit dieser letzten Novellierung wird ein zentrales Wählerregister geschaffen sowie Adaptierungen im Wahlrecht vorgenommen, die sich auf Grund der Bundespräsidenten-Wahl als notwendig erwiesen haben.

Dem Parlament liegt derzeit ein weiterer Antrag zur Abänderung des Bundesverfassungsrechts vor. Es soll das Bundesverfassungsgesetz über Staatsziele beschlossen werden, in dem sich die Republik Österreich zu Wachstum, Beschäftigung und einem wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort bekennen soll. Diese Regelung soll die Vollzugsorgane verpflichten, stets in einem umfassenden Ermittlungsverfahren das öffentliche Interesse an einer wettbewerbsfähigen Standortpolitik mit anderen öffentlichen Interessen zu vereinbaren.

Normen

B-VG

Worin liegt das Problem

Seit langer Zeit wird der Wildwuchs an bundesverfassungsrechtlichen Bestimmungen beklagt. Aus diesem Grund fand bereits zwischen 2003 und 2005 ein Österreich-Konvent für eine grundlegende Staats- und Verfassungsreform statt. Anlässlich der Ergebnisse dieses Konvents wurden 2008 mehr als 200 Verfassungsgesetze und Bestimmungen aufgehoben.

Seit Jänner 2005 bis 2016 wurde die Bundesverfassung jedoch neuerlich 30 Mal novelliert. Zusätzlich wurden etwa 850 Verfassungsbestimmungen – also Regelungen in Verfassungsrang, die jedoch nicht im Bundesverfassungsgesetz stehen – erlassen. Dies zeigt, dass unser Grundgesetz einerseits zu oft geändert wird und, dass andererseits durch verfassungsrechtliche Nebengesetze eine völlige Zersplitterung des Verfassungsrechts besteht.

Nunmehr liegt nach dem Wahlrechtsänderungsgesetz, mit dem die Probleme bei der Bundespräsidenten-Wahl gelöst werden sollten (BGBl 106/2016), schon wieder eine Verfassungsänderung als Initiativantrag im Parlament: das Bundesverfassungsgesetz über Staatsziele. Anlass hierfür war die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, eine dritte Flughafenpiste in Schwechat zu untersagen. Durch diese Verfassungsänderung sollen in Hinkunft derartige Gerichtsentscheidungen verhindert werden, ohne dass man die Rechtskräftigkeit dieses Verfahrens abgewartet hätte. Tatsächlich wurde inzwischen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29.6.2017 wegen gravierender rechtlicher Mängel („Willkür“) ohnedies bereits wieder aufgehoben.

Eine Verfassung sollte das Grundgesetz eines Staates darstellen und übersichtlich, klar verständlich und beständig sein. Sie sollte folglich nicht aus tagespolitischen Anlässen geändert werden.

Qualitätskriterien

OrdnungPraxistauglichkeitVerständlichkeitGrundregeln des Prozesses