Zwei Wochen lang verhandelten die Spitzen der Nationen bei der UN-Klimakonferenz in Bonn über die Zukunft des Klimas. Am 17. November war der letzte Tag. Ein sehr guter Zeitpunkt, um einen Blick nach Österreich zu werfen: Wie gehen wir hierzulande mit Klimaschutz um? Ein aktuelles Beispiel zu diesem Thema ist die berühmt-berüchtigte dritte Piste des Flughafen Wien. Mittlerweile ist sie in Österreich fast Synonym für die Frage was überwiegt: Klimaschutz oder Wirtschaftsinteressen?

Wir haben für euch die Geschichte der dritten Piste noch einmal aufgearbeitet und als Timeline verpackt:

April 1998

Der Flughafen Wien veröffentlichte im April 1998 den „Masterplan 2015.“ Dieser besagte, dass aufgrund der zukünftigen Verkehrsentwicklung ein Ausbau der Flughafeninfrastruktur notwendig sei. Kernstück des Masterplans war der Bau der dritte Piste.

2001 - 2005

Zwischen 2001 und 2005 wurde ein Mediationsverfahren durchgeführt. Es gründete sich auf dem Verständnis, dass der Masterplan nur positiv umgesetzt werden kann, wenn die Interessen des Flughafens und der BewohnerInnen der Region einbezogen werden. Nicht alle waren mit dem Ergebnis des Mediationsverfahrens zufrieden.

2007 - 2009

27 Bürgerinitiativen richteten eine Beschwerde an die Europäische Kommission: Österreich verstoße gegen EU-Recht, da es in den letzten zehn Jahren Ausbauten am Flughafen Wien vorgenommen habe ohne Prüfungen der Umweltverträglichkeit durchzuführen. Die Kommission gab ihnen zwar prinzipiell recht, genehmigte Österreich jedoch die Umweltverträglichkeitsprüfungen im Nachhinein durchzuführen. Der EU-Ombudsmann kritisierte dieses Vorgehen.

Juli 2012

Auch für den Bau der dritten Piste musste der Flughafen Wien eine Prüfung der Umweltverträglichkeit durchführen lassen. Zuständig hierfür ist die Niederösterreichische Landesregierung. Diese genehmigte den Bau der Piste am 10. Juli 2012. Hiergegen wurden 28 Beschwerden erhoben.

Februar 2017

Das Bundesverwaltungsgericht entschied über die Beschwerden Anfang Februar 2017: Das öffentliche Interesse am Schutz vor den negativen Folgen des Klimawandels sei höher zu bewerten als die positiven öffentlichen Interessen. Die dritte Piste dürfe aus Gründen des Klimaschutzes und des Bodenverbrauchs nicht gebaut werden. Der Flughafen Wien bekämpfte dieses Erkenntnis.

März 2017

Im März 2017 verabschiedete der Nationalrat eine umfangreiche Verwaltungsreform. Hauptziel war es Bewilligungsverfahren effizienter zu gestalten. Das Gesetzt sieht unter anderem eine Erhöhung der Enteignungsrechte durch Behörden vor, sofern dies „zur Aufrechterhaltung der Verkehrsbeziehungen erforderlich ist. Die „Lex Enteignung“ sollte – so einige Medienberichte – vor allem dem Flughafen Wien zu Gute kommen.

Mai 2017

Die damaligen Regierungsparteien wollten „Wirtschaftswachstum“ als Staatsziel in der Verfassung aufnehmen. Eine solche Formulierung würde in Zukunft Wirtschaftsprojekte wie den Bau der dritten Piste rechtfertigen. Das Vorhaben wurde schlussendlich aufgeschoben. Eine Kritik hierzu haben wir in dem Beitrag „Wildwuchs Bundesverfassung“ verfasst.

Juni 2017

Der Verfassungsgerichtshof hob das Erkenntnis als verfassungswidrig auf. Der Bundesverwaltungsgerichtshof hat nämlich den Klimaschutz und den Bodenverbrauch in einer verfassungswidrigen Weise in die Interessensabwägung einbezogen. Hierfür fehle jedoch eine direkt anwendbare Rechtsgrundlage. Auch das Kyoto Protokoll und das Übereinkommen von Paris – zwei wichtige internationale Übereinkommen zum Klimaschutz – seien nicht direkt anwendbar.

Und jetzt?

Mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs wurde der Rechtsstreit wieder zurück an das Bundesverwaltungsgericht geschickt. Dieser muss nun neuerlich eine Entscheidung treffen.

Was überwiegt in Österreich: Klimaschutz oder Wirtschaftsinteressen?

Die Geschichte der dritten Piste ist mehr als nur eine Entscheidung über den Ausbau des Wiener Flughafens. Es steht auch die Frage im Raum, ob die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs für andere Großprojekte von Relevanz sind. Im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof heißt es nämlich:

…In diesem System sei es die Aufgabe der demokratisch legitimierten Gesetzgebung, Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Minimierung des Bodenverbrauches festzulegen. Solange die zuständige Gesetzgebung in diesen Zusammenhängen keine Festsetzungen getroffen habe, sei es nicht die Befugnis der Verwaltung oder der Gerichte, im Einzelfall rechtssetzend tätig zu werden. …“

Kurz gesagt: Es liegt nicht bei den Gerichten, sondern beim Gesetzgeber Maßnahmen zum Klimaschutz festzulegen. Sind solche im Gesetz vorgesehen, werden die Gerichte den Klimaschutz bei Interessensabwägungen einbeziehen.

Der Ball liegt also beim Gesetzgeber: Wird dieser für den Klimaschutz tätig werden?

Text: Daniela Amann.